Thurgauer Zeitung – Zoff unter Nachbarn: Die Frauenfelderin Susanne Odermatt inszeniert die Komödie «Die Tür nebenan»

Die Schauspielerin Susanne Odermatt bringt die Beziehungskomödie «Die Tür nebenan» im Frauenfelder Eisenwerk auf die Bühne. Im Mittelpunkt des Abends stehen zwei unfreiwillige Singles, die Tür an Tür leben und sich ständig streiten.

So friedlich wie auf dem Bild geht es zwischen den beiden Nachbarn selten zu und her: Patrick Boog und Susanne Odermatt streiten ständig. Foto: Elisabeth Wegmann

Der normale Wahnsinn im Alltag. Zwei Nachbarn machen einander das Leben so schwer wie möglich. Sie ist Psychologin, selbst etwas angeschlagen und sehr schnell reizbar. Er ist Marketingleiter und muss möglichst viele Joghurts unter die Leute bringen. Das erfüllt ihn nicht in allen Teilen, sodass ihm die schönen Seiten des Lebens wichtig sind, wie die klassische Musik. Die beiden unterschiedlichen Charaktere geraten sich wegen Lappalien ständig in die Haare. «Eine rasante Beziehungskomödie» wird in der Vorankündigung versprochen.

Das ist die Ausgangslage der französischen Komödie «Die Tür nebenan»,die am 31. Oktober im Frauenfelder Eisenwerk auf die Bühne kommt. Die in Frauenfeld lebende Produzentin und Schauspielerin Susanne Odermatt will mit dem Stück nicht nur unterhalten: «Es ist zwar eine Komödie, aber kein Schwank», sagt sie dazu, «ein lustiger Abend gewiss, aber bitte nicht seicht.»

So spielt «Die Tür nebenan» auf einer weiteren, tiefgründigeren Ebene – dem Umgang mit der Einsamkeit. Bei aller Verschiedenheit haben die beiden zerstrittenen Nachbarn etwas gemeinsam. Sie sind unfreiwillig Singles geblieben. Vielleicht, wer weiss, gerade weil die Sozialkompetenz nicht ihre charakterliche Stärke ist. Jedenfalls suchen sie auf einer Dating-Plattform einen Partner beziehungsweise eine Partnerin – natürlich unabhängig voneinander.

Der Erfolg scheint garantiert. Denn die Suchmaschine verspricht eine Treffsicherheit von fast 100 Prozent. Beide werden tatsächlich fündig und reiben sich ihren Erfolg gegenseitig unter die Nase. Man ahnt, welches Ergebnis aus dieser Konstellation resultieren könnte.

Initiantin Susanne Odermatt ist einer jener Menschen, die fast alles in einem sind. Sie arbeitet als Produzentin, Schauspielerin, Lehrerin, und sie ist eine Familienfrau mit zwei halbwüchsigen Kindern. Im Kanton Zürich aufgewachsen, besuchte Odermatt nach der Matur die Schauspielschule in München. Seither hatte sie zahlreiche Engagements in Deutschland und in der Schweiz, unter anderem am Theater St.Gallen. Seit einigen Jahren lebt Odermatt in Frauenfeld und hat hier bereits das Stück «Die Deutschlehrerin» auf die Bühne gebracht.

Wenn das Stück ausschliesslich gängige Klischees bedienen würde, hätte ich es nicht gewählt. Es gibt ein gutes Ende, aber ein anderes als mancher erwarten würde. Und ob es nachhaltig ist, weiss man auch nicht.  Einiges bleibt offen: Vielleicht finden sie im Netz jemanden anderes, vielleicht entwickelt sich ihre Nachbarschaft positiv, vielleicht werden sie auf der Partnersuche zu Vertrauten. 

Patrick Boog und Susanne Odermatt standen bereits für das Stück «Die Deutschlehrerin» gemeinsam auf der Bühne. Foto: Elisabeth Wegmann

Das Zweipersonenstück «Die Tür nebenan» stammt aus der Feder des angesagten französischen Dramatikers Fabrice Roger-Lacan. Regie führt der in der Schweiz und in Spanien lebende Theatermann Marcelo Diaz, mit dem Odermatt bereits früher zusammengearbeitet hat. Ihr Bühnenpartner ist der Luzerner Patrick Boog, der auch in der «Deutschlehrerin» seinen Auftritt hatte.

Jetzt dürfen sich die beiden nach Lust und Laune streiten: «Natürlich ist diese Auseinandersetzung dramatisch überhöht, wenn die Fetzen fliegen», sagt Odermatt. «So würde man im wirklichen Leben wohl kaum miteinander umgehen.» Wobei in Zeitungen immer wieder von nachbarschaftlichen Streitfällen zu lesen ist, die sogar tätlich ausarten. Ganz so weit kommt es in «Die Tür nebenan» glücklicherweise nicht.

Wie Susanne Odermatt in aller Ruhe von ihrem Stück spricht, kann man sich nicht vorstellen, dass sie auf der Bühne Zähne zeigen kann. Bevor es jedoch auf der Bühne so weit ist, musste und muss sie sich wie eine Managerin um die ganze Administration kümmern, was monatelang dauert. Dieser Tage laufen die letzten Proben vor der Premiere im Eisenwerk. Die Streithähne Odermatt und Boog üben sich auf der Bühne tapfer im Zanken und werden wohl in ihrem Alltag weiterhin Milde walten lassen.

Premiere, 31.10, 20 Uhr; 1.11. und 3.11. 19 Uhr. Eisenwerk Frauenfeld. Weitere Aufführungen www.dietuernebenan.ch

Quelle

30.10.2024 – https://www.thurgauerzeitung.ch/kultur/ostschweiz/buehne-zoff-unter-nachbarn-die-frauenfelderin-susanne-odermatt-inszeniert-die-komoedie-die-tuer-nebenan-ld.2690845

© Rolf Hürzeler

Thurgaukultur – Magazin

«Ich will auch nicht immer in den Abgrund schauen.»  Susanne Odermatt im Gespräch mit Inka Grabowsky.

«Ich will auch nicht immer in den Abgrund schauen.»

Die Schauspielerin und Produzentin Susanne Odermatt hat sich in den vergangenen Jahren als Spezialistin für Dramen einen Namen gemacht. Jetzt bringt sie eine Komödie auf mehrere Bühnen im Thurgau. 

Tatsächlich war die Geschichte einer abgründigen Beziehung wieder in der engeren Auswahl für mein nächstes Stück, aber es wäre noch heftiger gewesen als die «Deutschlehrerin», und ich wollte mal etwas Leichtes machen – nicht oberflächlich und banal, sondern brisant, aktuell, humorvoll und trotzdem anspruchsvoll. Ich allein habe bestimmt dreissig Stücke gelesen – Patrick Boog ähnlich viele – bis ich auf «Die Tür nebenan» gestossen bin. In Frankreich gibt es diese Bühnentradition, die Komödien nicht auf billige Pointen reduziert, sondern mit einem Augenzwinkern der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Der Autor Fabrice Roger-Lacan, Enkel des berühmten Psychoanalytikers Jacques Lacan, legt den beiden Protagonisten mit Tempo und Rhythmus viel Wortwitz in den Mund. Und der funktioniert auch in der deutschen Übersetzung. Es geht nicht nur um die Inhalte der Konflikte, die immer an den Haaren herbeigezogen sind, sondern vor allem auch um die die Art und Weise des Umgangs miteinander, der meist etwas überhöht Absurdes, Surreales hat. 

Wenn das Stück ausschliesslich gängige Klischees bedienen würde, hätte ich es nicht gewählt. Es gibt ein gutes Ende, aber ein anderes als mancher erwarten würde. Und ob es nachhaltig ist, weiss man auch nicht.  Einiges bleibt offen: Vielleicht finden sie im Netz jemanden anderes, vielleicht entwickelt sich ihre Nachbarschaft positiv, vielleicht werden sie auf der Partnersuche zu Vertrauten. 

«Identifizieren kann ich mich nicht mit ihr, aber ich kann mich mit ihr verbinden.» 

Susanne Odermatt, Schauspielerin, über die Figur, die sie in «Die Tür nebenan» spielt

Es war eher mein eigenes Bedürfnis, nicht immer in einen Abgrund zu schauen. Der Verkauf von Eintrittstickets war nicht der Grund für die Stoffwahl. Mit dem Beziehungskrimi «Die Deutschlehrerin» hatten wir bisher 27 Aufführungen, die begeistert aufgenommen worden sind. Ich bin gespannt, welche Resonanz es bei der Internationalen Künstlerbörse in Freiburg im Breisgau gibt, wo wir uns im Januar präsentieren dürfen. Bei der bisherigen Vermarktung hat eindeutig geholfen, dass wir uns 2023 auf der Künstlerbörse in Thun haben vorstellen dürfen. Aus dem Kreis der Theater, die uns danach eingeladen haben, gibt es jetzt auch Interessenten für das neue Stück, was mich sehr freut. Mein Stammpublikum könnte sich also etwas erweitern. Das hilft dann auch, finanziell über die Runden zu kommen. Derzeit wäre die Produktion ohne öffentliche Unterstützung etwa der Kulturstiftung des Kantons Thurgau oder der Stadt Frauenfeld und des Kulturpools nicht denkbar. Ich bin allen Stiftungen äusserst dankbar. 

Video: Trailer zu «Die Deutschlehrerin» 

Odermatt-Theaterproduktionen scheinen auf einem eingespielten Team zu beruhen, das seit langen zusammenarbeitet…

Patrick Boog hat sich als passender und engagierter Bühnenpartner erwiesen, nachdem Regisseur Marcelo Diaz und ich ihn für «Die Deutschlehrerin» gecastet hatten. Und Marcelo kenne ich schon, seit ich mit 18 an einem Jugendtheaterkurs in der Gessnerallee in Zürich teilgenommen habe. Er bot mir auch Einblick ins damalige Theater an der Sihl, dessen Leiter Marcelo zu jener Zeit war. Unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Als ich deshalb 2018 einen Regisseur für meine eigene Produktion «Countdown oder Das Ticken der Eieruhr» brauchte, habe ich ihn gefragt. Seitdem haben wir einiges dazugelernt – insbesondere was die Gestaltung des Bühnenbildes für unsere Tourneen angeht. Beim ersten Stück hatten wir noch einen gewaltigen Kühlschrank dabei, den wir im alten Theater an der Grenze in Kreuzlingen kaum die Treppe hoch bekommen haben. Unser Bühnenbildner Andreas Wagner überlegt mit uns gemeinsam, was es braucht – dieses Mal sehr wenig. Die Kulisse besteht aus einer Wand mit zwei Öffnungen, die die Türen symbolisieren. Zwei Hocker stehen davor. Wenn die Figuren im Internet aktiv sind, markieren wir das mit den Leuchtringen, die Influencer für die Selbstinszenierung brauchen. Auch Mikrofone kommen zum Einsatz.

Im ersten Augenblick erschien sie mir zu zickig, aber ich habe sie liebgewonnen. Hinter ihrem Verhalten steckt mehr. Identifizieren kann ich mich nicht mit ihr, aber ich kann mich mit ihr verbinden. 

Patrick Boog und Susanne Odermatt verkörpern in «Die Tür nebenan» zerstrittene Nachbarn – sehr zum Amusement des Publikums. Bild: Elisabeth Wegmann

Quelle

23.10.2024 – https://www.thurgaukultur.ch/magazin/ich-will-auch-nicht-immer-in-den-abgrund-schauen-5965

© Inka Grabowsky